Digitalisierung im Mittelstand: Weg vom Produkt, hin zur Lösung

Der deutschen Wirtschaft stehen Jahre der tiefgreifenden Transformation bevor. Ohne digitale Geschäftsmodelle könnten einige Mittelständler ihre Führungsposition am Markt verlieren oder gar ganz verschwinden. Was bislang noch für einen Erfolg ausreichte – nämlich die Maschinen, beziehungsweise die damit hergestellten, qualitativ hochwertigen Produkte – genügt für den heutigen Markt und die modernen Kunden nicht mehr. Dazu kommt: Ein solch konservatives Geschäftsmodell macht die Unternehmen für innovativere Wettbewerber angreifbar.

Aber wo sollen Unternehmen mit sehr unterschiedlichem Produktangebot ansetzen, wenn es um die Digitalisierung geht? Hier kann das Bundesministerium für Energie und Wirtschaft (BMWI) helfen. Das Förderprogramm „go-digital“ mit den drei wesentlichen Modulen „Digitalisierte Geschäftsprozesse“, „Digitale Markterschließung“ und „IT-Sicherheit“ bietet Mittelständlern Beratung und Unterstützung bei der Bewältigung der Herausforderungen in den Bereichen Online-Handel, Digitalisierung des Geschäftsalltags und IT-Sicherheit.

Wettbewerbsfähig bleiben, Bedürfnisse befriedigen

Für den flexiblen Mittelständler gilt also mehr denn je, Kundenzentrierung zu leben und von althergebrachten Marktstrategien abzulassen. Im Mittelpunkt stehen heute die Fragen: Wie ist das Nutzungsverhalten? Wie kann ich den Kunden besser binden?

„Der Digitalisierungsprozess muss von vorne nach hinten gedacht werden“, meint etwa Dr. Rüdiger Hein, Head of Digital Platforms & Operations bei der Firma TRUMPF, Markt- und Technologieführer bei Werkzeugmaschinen für die flexible Blechbearbeitung und bei industriellen Lasern. „Ansonsten verliert man sich in Technologiediskussionen.“ Auch aktuelle Top-Themen wie etwa Künstliche Intelligenz würden zu häufig von der Technologieseite betrachtet, statt zu erforschen, ob der Kunde einen Bedarf habe. „Falls Nachfrage besteht, müssen wir analysieren, ob diese zum Beispiel im Bereich Predictive Maintenance liegt oder ob es um ein kundenindividuelles Angebot geht, und ob wir hierbei eventuell KI verwenden können oder traditioneller agieren“, erklärt Hein.

In diesem Sinne werden proaktiv neue Wege eingeschlagen: Seit kurzem ist offiziell, dass TRUMPF zusammen mit der Münchener Rück ein Joint Venture gegründet hat, über das der Kunde künftig die Option hat, für jedes produzierte Teil zu bezahlen, anstatt Maschinen zu kaufen oder zu leasen. Das Stichwort lautet hierbei „Equipment as a Service / EaaS“.

Die Anforderung der Geschäftsführung an die moderne Corporate IT ist vor allem diese: Sie soll die Wettbewerbsfähigkeit sichern und dabei helfen, von innen heraus kreativ zu werden. „Die moderne IT will Innovationen auch über Input aus den Fachbereichen bewirken“, sagt Frank Liptow, CIO bei JENOPTIK, einem global agierenden Technologiekonzern mit Schwerpunkt in der Photonik. „Digitale Kompetenz bei der Auswahl von Lösungen sollte deshalb auch bei den Experten im Business aufgebaut werden.“

Eine weitere grundlegende Veränderung ist die aktuelle Tendenz, dass selbst große deutsche Unternehmen Rechenzentren immer mehr abbauen und sich Amazon Web Services oder Microsoft Azure bedienen. Hier wird nicht alles in der IT neu gedacht werden können; in der Zusammenarbeit mit diesen externen Providern muss sichergestellt werden, dass die erbrachten Services sicher und performant sind. Dafür wird gewachsene IT-Kompetenz benötigt. „Auch hinsichtlich der neuen Themenstellungen hat der moderne CIO viele klassische Aufgaben im neuen Gewand“ so Liptow.

Digitale Markterschließung

Der digitalen Markterschließung kommt laut Sinanudin Omerhodzic, dem neuen Geschäftsführer der internationalen IT bei ALDI Nord, eine Schlüsselrolle zu. „Die Digitalisierung ist eine evolutionäre Stufe in unserer Industrie und Wirtschaft, diesmal sind jedoch wirklich alle Branchen und Unternehmensgrößen betroffen“, sagt Omerhodzic. Seiner Meinung nach sollte sich gerade der Mittelstand fragen: Wie digitalisiere ich mein Produkt? Wie lasse ich von alten Mustern ab und denke wie ein Software-Unternehmen?

Für den erfahrenen IT-Manager, der seit einigen Jahren im FMCG- und Healthcare-Umfeld als CIO agiert, steht fest: „Je nach Produkt und Service des betreffenden Unternehmens muss man für den Kunden auch ein Subscription-Modell in Betracht ziehen.“ Die Tendenz gehe stark zu einer IT, die effiziente pay per use-Modelle ermögliche und verschiedene Service-Angebote machen könne.

Gewinne oder Innovationen?

Neben künstlicher Intelligenz (KI) wird dem Thema Connectivity viel Bedeutung beigemessen. Hier kommt die gesamtdeutsche Infrastruktur ins Spiel, die, wie viele andere Themenfelder, hinsichtlich „digital and mobile readiness“ im internationalen Vergleich hinterherhinkt. Selbst in direkten Nachbarländern sieht es da besser aus: „Die Schweiz ist beim Thema Konnektivität und Netzabdeckung sicher weiter, die Perspektive für eine großflächige Abdeckung mit 5G ist deutlich positiver“ berichtet Lars Geiger, Head of Global IT beim schweizerischen Hersteller Saurer AG, einem der weltweit größten Textilmaschinenhersteller.

Bei den Eidgenossen klingen die Einschätzungen zur Tendenz der Rolle der IT im Mittelstand übrigens ähnlich: „Der Mittelstand muss sich ins Lösungsgeschäft drehen“, findet Geiger. „Der Kunde will nicht zwingend das Produkt, sondern die erforderliche Lösung.“ Er agiere immer mehr, wie es der private User bereits tue, er wolle zunehmend selbst digital aussuchen, die Informationen dazu sehen und direkt bestellen und bezahlen.

Die Aussagen der CIOs zeigen: Es ist weiterhin schwierig, eine Innovation im Zuge der Digitalisierung zu etablieren und allzu schnelle Erfolge (auch in wirtschaftlicher Hinsicht) zu verzeichnen. Die genannten Beobachtungen und erste Veränderungen zeugen jedoch von erkennbaren Schritten in die richtige Richtung.

Nicht zuletzt müssen die gegenüberstehenden Interessen der Divisionen harmonisiert werden. Wo die Corporate IT neben Operational Excellence auch Innovationen im Auge hat, pochen die Fachbereiche auf Geschwindigkeit, Agilität und Ergebnisse.

Es liegt im langfristigen Interesse aller im Unternehmen, dass der Gewinn für eine gewisse Zeit der Transformation und Remodellierung auch mal zurückstehen muss, um ein zukunftsfähiges Angebot und Positionierung im Markt weiterhin garantieren zu können. Insbesondere der deutsche Mittelstand sollte sich diese Zeit nehmen.

 

Aristotelis Bassios ist als Client Partner bei InterSearch Executive Consultants tätig und besetzt seit über zehn Jahren Führungspositionen in IT und Digital in den Branchen Technology, Financial Services und Industrial. Im deutschen Mittelstand gehören vor allem Technologie- , Elektronik- sowie größere Familienunternehmen zu seinen Kunden.

Bei Fragen wenden Sie sich gerne an Alexander Wilhelm

Über InterSearch Executive Consultants

InterSearch Executive Consultants ist eine der führenden Personalberatungen und spezialisiert auf die Rekrutierung von Führungskräften (Executive Search) und systematische Analysen des Führungskräftepotenzials (Management Audit / Executive Diagnostic). Die 1985 unter dem Namen „MR Personalberatung“ gegründete Gesellschaft ist heute in Deutschland mit drei Standorten in Hamburg, Frankfurt und Köln vertreten und war 1989 Gründungspartner der InterSearch Worldwide. InterSearch agiert heute weltweit im Bereich Executive Search mit über 600 Beratern in über 50 Ländern mit mehr als 90 Standorten.

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